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3. Juni 2022300. Todestag Herzogin Eléonore d’Olbreuse
Keine Aufmerksamkeit in der Stadt Celle hat der 300. Todestag der letzten Celler Herzogin Eléonore d’Olbreuse († 5. Februar 1722) bekommen. Ohne die adelige Französin wäre es nicht zur Gründung unserer evangelisch-reformierten Kirchengemeinde gekommen. Sie wird gemeinhin als unsere Gemeindegründerin angesehen. In diesem Bei-trag soll ihr Engagement für die französisch-reformierten Glaubensflüchtlinge (Hugenotten) beleuchtet werden.
„Um uns während dieser letzten Jahre zu erhalten, bediente sich Gott der Regierung und des Schutzes Ihrer Hoheit der Herzogin von Braunschweig Lüneburg und Celle. Diese fromme Prinzessin hatte unsere Kirche immer ganz besonders geschätzt. Sie erinnerte sich [stets] daran, im Umfeld unserer Kirche geboren worden zu sein und dort die heilige Taufe empfangen zu haben, zumal Monsier d’Olbreuse, ihr ehrwürdiger Bruder [Alexandre Desmier, seigneur d’Olbreuse], und Monsier de la Forest, unser Pastor, nicht aufhörten, sie von Zeit zu Zeit über die Schwierigkeiten, die man uns machte und bei uns hervorrief, zu informieren. Ihre allerdurchlauchtigste Hoheit war ständig bemüht, die ganzen Verfolgungen am Hofe [Ludwigs XIV.] zu mildern, und sie hatte sogar die Güte, den König um unseren Schutz zu bitten.“ Diese Worte finden sich im Journal des Lehrers Jean Migault, dem wohl bedeutendsten Zeitzeugnis hinsichtlich der Hugenottenverfolgungen im Poitou. Sein Sohn sollte später den Grundstein zu unserer Kirche in Celle legen.
Durch die Intervention und die guten diplomatischen Beziehungen der Herzogin von Celle war ihre poiteviner Heimat bei den Zwangsmaßnamen, die man gegen die französischen Protestanten anordnete, zunächst noch relativ geschützt. Um 1660 lebten im Poitou rund 77.000 bis 80.000 reformierte Christen. Die 1681 beginnenden Dragonaden (zwangsweise Einquartierung von Dragonern in protestantische Häuser, verbunden mit Plünderungen und Folter der Protestanten) und weitere Repressalien führten jedoch zum Übertritt von rund 39.000 Reformierten zur römisch-katholischen Kirche und zur Emigration zahlreicher hugenottischer Poitevins.
Die Familie d’Olbreuse gewährte verfolgten Hugenotten so lange wie möglich Unterschlupf. Offensichtlich wirkte sich die Protektion aus dem fernen Celle noch als Schutz aus, weil der französische König Ludwig XIV. bei der Familie d’Olbreuse aus außenpolitischen Gründen noch Zurückhaltung übte. Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes am 18. Oktober 1685, das den Reformierten bislang zumindest auf dem Papier Schutz gewährt hatte, wurden jedoch auch im Poitou die letzten reformierten Kirchengebäude zerstört, darunter auch das in Mauzé, wo die Familie d’Olbreuse zum Gottesdienst ging. Nach der Revokation des Edikts von Nantes konnte sich auch keine protestantische adelige Familie mehr in Sicherheit wiegen. Madame de Maintenon, die letzte Mätresse Ludwigs XIV., setzte Madame Olbreuse darüber in Kenntnis, dass sie keine Flüchtlinge mehr schützen dürfe und dass sie bei Nichtbeachtung Dragoner heimsuchen würden.
Eine größere Zahl der poiteviner Glaubensflüchtlinge begab sich trotz königlichen Verbot nach Celle, wo sie in Eléonore Desmier d’Olbreuse eine engagierte Fürsprecherin fanden. Leider gibt es keine Quellen darüber, ob und wie Eléonore und die ersten nach Celle gekommenen Hugenotten direkt nach 1665 im lutherischen Fürstentum Lüneburg ihren Glauben praktizieren konnten. Die Situation klärte sich spätestens mit dem am 7. August 1684 von Herzog Georg Wilhelm erlassenen Edikt, das Anhängern der reformierten Konfession im Fürstentum Lüneburg Aufnahme und Unterstützung versprach. Dieses Edikt, das ursprünglich primär auf die Ansiedlung von in England verfolgten Dissenters in der Stadt Lüneburg zielte, wandelte sich angesichts der Aufhebung des Edikts von Nantes zu einem Hugenottenprivileg. 1686 kam es „mit Erlaubnis des Herzogs […] und durch den Eifer der Herzogin“ zur offiziellen Gründung einer Französisch–reformierten Kirchengemeinde, die naturgemäß eine starke höfische Prägung besaß und sich hinsichtlich ihrer Sozialstruktur von den meisten Hugenottengemeinden im deutschen Refuge unterschied. Ihr erster Pastor wurde ein Verwandter der Herzogin, der zuvor erwähnte Louis Suzannet de la Forest, Seigneur de Puycouvert. Zur Bildung eines ersten Presbyteriums (consistoire) kam es jedoch erst im Jahr 1688. Mit Genehmigung der Herzogin wurden fünf hoch angesehene reformierte Männer in das Leitungsgremium der Hugenottengemeinde berufen. Für lutherische Gemeinden war damals eine Gemeindeleitung durch Laien noch undenkbar.
Im Celler Schloss fungierte zunächst ein Zimmer im Wohntrakt der Herzogin als gottesdienstlicher Versammlungsort der neu gegründeten Gemeinde. Der calvinistische Historiograph Gregorio Leti, der 1686/1687 während einer mehrmonatigen Deutschlandreise auch den Celler Hof besuchte, schrieb Folgendes mit seiner Feder über die Gottesdienste nieder: „Im Augenblick findet man hier auch die Reformierten, wegen der Frau Herzogin, die seit kurzem mit Zustimmung seiner Durchlaucht des Herzogs für sich und die anderen Reformierten, die es am Hofe gibt oder die in der Stadt wohnen, einen Pastor hat kommen lassen. Dieser Pastor heißt Herr de la Forest. Er ist ein Mann aus gutem Hause, führt ein musterhaftes Leben, ist gut erzogen und ein Gelehrter. Zur Zeit predigt er gewöhnlich im Zimmer Ihrer Durchlaucht der Herzogin, und das soll so lange geschehen, bis die Zahl der Anhänger dieser Religion groß genug ist, um eine Kirche zu benötigen. Bis jetzt aber ist deren Zahl noch nicht groß genug, denn es sind erst wenige französische Flüchtlinge hier angekommen. Als ich hier war, waren am Hof und in der Stadt noch nicht einmal 150 Mitglieder dieser Gruppierung vorhanden. Die Frau Herzogin bezeigt für die Religion so viel Eifer und Andacht, daß sie ganz einfach nicht frommer sein könnte.“
Zur finanziellen Ausstattung der französischen Gemeindepfarrstelle hatte die Herzogin die beachtliche Summe von 3000 Talern gestiftet, die bei den Ständen des Herzogtums zur Verzinsung angelegt wurden. „Da die Herzogin unermüdlich unserer Gemeinde Gutes thut“ beschloss das consitoire ein „Denkmal seiner Dankbarkeit für die Nachwelt zu stiften“ indem es die große „Freigebigkeit“ und ihren heiligen „Eifer“ am 20. April 1703 in dem Protokollbuch der Französisch-reformierten Gemeinde dokumentierte. Weitere 3000 Taler vermachte die Herzogin ihrer Gemeinde bei ihrem Tod.
Erst als in der Residenzstadt die Zahl der reformierten Glaubensflüchtlinge nach der Aufhebung des Edikt von Nantes (1685) auf ca. 300 Personen angewachsen war und der Friede von Rijswijk (1697) eine Rückkehr in die französische Heimat endgültig ausschloss, erbaten die Celler Hugenotten die Genehmigung zum Bau einer eigenen Kirche. Der im Jahr 1700 mit herzoglicher Genehmigung errichtete „temple“ verfügte im Innenraum auch über einen Fürstenstuhl. Die Herzogin bezuschusste den Bau des rund 5000 Taler teuren Kirchengebäudes mit 400 Talern aus ihrer Privatschatulle und ihr Mann mit 500 Talern. Allerdings fanden weiterhin reformierte Hofgottesdienste in den Gemächern der Herzogin statt, die von den jeweiligen reformierten Hausgeistlichen der Herzogin gestaltet wurden. Eléonore nahm regen Anteil am Geschick der Hugenottengemeinde und sie beeinflusste auch die eine oder andere Entscheidung. Nicht nur die Französisch–reformierte, sondern auch die offiziell 1709 gegründete Deutsch–reformierte Gemeinde wurde von Eléonore finanziell bedacht. So erhielt deren erster Pastor Johann Heinrich Schmucker „in betracht seiner meriten und der gemeinde armuth“ von der verwitweten Herzogin jährlich zwischen 20 und 30 Taler. 1721 hatte Eléonore der Gemeinde sogar 600 Taler zukommen lassen, die für den Erwerb eines Predigerhauses verwendet wurden.
Unterschrift der Herzogin im Kirchenbuch der Französisch-reformierten Gemeinde Celle:
Die Hugenottin hatte auch die armen Glaubensflüchtlinge in Celle im Blick. Sie mietete bis 1689 für 14 Taler vierteljährlich eine „Maison française“ an, das als Armenhaus, Siechenhaus und als „Herberge zur Heimat“ der Französisch-reformierten Gemeinde verwendet wurde. Die finanzielle Hilfe für Hugenotten seitens der Herzogin blieb jedoch nicht auf das Fürstentum Lüneburg beschränkt.
In den Niederlanden unterstützte sie in Harlem die „Société des demoiselles réfugiées de Harlem“, ein Stift für unverheiratete junge adelige Damen, die aus Frankreich geflohen waren. In der französischen Heimat noch privilegiert, befanden sie sich im Refuge nun in einer finanziellen Notlage.
Andreas Flick